Die Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer dankbar für seinen Job zu sein hat, sind vorbei. Genau genommen gab es diese Zeiten noch nie, es ist eher diese Erkenntnis auf beiden Seiten, die den Arbeitsmarkt auf den Kopf stellt. Es ist eine Entwicklung der letzten Jahre, in denen unsere Kunden immer mehr vor der Herausforderung stehen, gute Leute zu finden. In denen die Mitarbeiter der limitierende Faktor des Wachstums sind. In denen viele Leute verwundert sind, wenn sie erfahren, dass bei uns zehn bis fünfzehn Bewerbungen pro Woche rein flattern.
Aufgrund der hohen Nachfrage haben wir uns intensiv mit dem Thema Recruiting, Employer Branding und Mitarbeiterführung beschäftigt. Dies sind unsere Ergebnisse.
Die Tinder-Frage
Stellen wir uns vor, wir haben ein Date, bei dem früher oder später verlässlich wie ein Schweizer Uhrwerk die Frage aufkommt: „Was machst du beruflich?“ Die darauf aufkommende Antwort deiner Mitarbeiter sagt eine Menge über die Attraktivität eines Arbeitgebers aus. Der erste Schritt ist also darüber im Klaren zu sein: Was könnten potentielle Mitarbeiter ihrem Date über dich erzählen?
- Nennen sie ihr Berufsfeld, oder schwärmen sie: „Ich arbeite in einer richtig coolen Firma, die …“
- Wie viele Sätze braucht es, um so schwärmen zu können?
- Sehen sie ihren Job als Notwendigkeit um Geld zu verdienen, oder verfolgen sie eine Mission?
- Wie hoch ist der Drang die Webseite, die Social Media Profile oder den eigenen Imagefilm auf dem Smartphone zu öffnen und seinem Date selbstbewusst lächelnd zu präsentieren?
- Listen sie ihre Aufgaben auf, die sie abarbeiten müssen, oder beschreiben sie den Vibe ihres Arbeitsalltags?
- Wie beschreiben sie ihre Arbeitskollegen?
Diese Fragen stellt sich jeder potentieller Mitarbeiter, bevor er sich bei dir bewirbt – wenn er es denn tut. Ein Job ist heutzutage mehr Statussymbol, als das Auto vor der Haustür oder die Uhr am Handgelenk. Menschen wollen nicht nur Akten abarbeiten, sondern Freunden erzählen was sie erreicht haben. Sie möchten sich mit einer Mission identifizieren können und daraus ihre persönliche Motivation schöpfen. Sie möchten einen Arbeitgeber, den sie bewundern und der die Konkurrenz grau und eintönig aussehen lässt.
Unsere Aufgabe ist es also unsere Marke dahingehend zu optimieren, dass sie auf genau diese Fragen eine gute Antwort liefert.
Wie gehen wir also vor?
Recruiting ist nicht eine Maßnahme, die man mal macht um einige Menschen auf die Webseite zu leiten. Recruiting erfordert, den gesamten Markenauftritt mit allen Berührungspunkten zur Zielgruppe attraktiv für Bewerber zu gestalten. Wie in jedem Vertriebsfunnel gibt es auch beim Recruiting drei Phasen aus Kunden- bzw. Bewerbersicht:
- ATTRACT – Der Bewerber wird auf deine Firma Aufmerksam.
- CONVINCE – Der Bewerber wird überzeugt, sich zu bewerben.
- DELIVER – Das Bewerbungsgespräch wird so gut, dass er seinen besten Kumpel anruft und sagt: „Das musst du auch erlebt haben …“
Wie in jedem Vertriebsfunnel drehen wir auch hier die Reihenfolge der ersten beiden Phasen beim Markenaufbau um:
- CONVINCE – Bevor ich den Besuch reinlasse, räumen wir erst mal unser Zimmer auf. Wir müssen also die Berührungspunkte für unsere Bewerber so aufbereiten, dass sie sich bewerben wollen.
- ATTRACT – Erst danach sorgen wir dafür, dass möglichst viele potentielle Bewerber von uns erfahren.
- DELIVER – Wo sonst das Produkt die Basis jeder Markenentwicklung ist, ist es hier das Bewerbungsgespräch bzw. langfristig gesehen die bestehende Mitarbeiterführung.
Was müssen wir also konkret machen?
Das ist sicher von Branche zu Branche unterschiedlich. Hier die wichtigsten Faktoren pro Phase:
CONVINCE
Entscheidende Phase – Wir müssen dafür sorgen, dass die Webseite als zentrale Haupt-Vertriebsplattform unserer Marke überzeugend für potentielle Mitarbeiter wird. Das geschieht durch vier elementare Säulen einer Markenarchitektur:
- Leitmerkmale – „Ich bin der coolste“ sagt auch dein Konkurrent, dessen Nachbar und die Kebab Bude von nebenan. Wir nutzen stattdessen Leitmerkmale. (Mehr Infos dazu hier)
- Geschichte – Eine authentische Brand-Story nach der Formel „Problem + Explosion + Mission“.
- Transparenz – Vertrauen aufbauen und Hemmschwelle zur Bewerbung senken.
- Einfachheit – Alles warum der Bewerber bei uns arbeiten möchte auf die Menge an Text reduziert, die man heute noch freiwillig liest: einen Satz.
Konkrete Aufgaben, die branchenübergreifend gelten, wären demnach:
- Verkaufe nicht dich selbst – das glaubt dir niemand – sondern ein Wertegefüge und positioniere dich danach als Marktführer für dieses Wertegefüge. „Wir sind der beste Arbeitgeber.“ glaubt dir niemand, da es auf deiner eigenen Webseite steht. Und auf der Webseite deines Konkurrenten. Das ist unglaubwürdig. Schwärme stattdessen von einem bestimmten Lifestyle. Zeichne das Bild von einem perfekten Job – unabhängig von dir selbst: „Weltverändernde Projekte, geile Anzüge, viel Zeit für Familie und Freunde. Genau das macht den perfekten Arbeitsplatz aus. Übrigens: Bei uns bekommst du genau das.“
- Formuliere eine authentische Brand-Story (Problem + Explosion + Mission). Besonders die aus Problem und Explosion resultierende Mission ist wichtig für potentielle Mitarbeiter, da diese sich mit dieser Mission identifizieren und durch sie ihre Motivation für ihre Arbeit bei dir schöpfen können. Erzähle von den fehlenden Leitmerkmalen, die der Gründer in der Branche auffand (irrelevante Projekte, miese Anzüge und arbeiten bis spät in die Nacht.) Danach die Gründung, die zur Erfolgsgeschichte wurde. Geblieben ist die Mission die Leitmerkmale weiter beizubehalten.
- Zeige transparent deinen Bewerbungsprozess. Was passiert, wenn ich das Formular abgeschickt habe? Wer meldet sich bei mir und wann? Nach welchen Kriterien wird entschieden? Wie oft muss ich vorbeikommen, um den Job zu bekommen? Je weniger der Bewerber in Ungewissheit bleibt, desto höher wird das Vertrauen durch den ehrlichen Umgang und desto geringer wird die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme.
- Zeige deine Mitarbeiter auf der Webseite. Ich rede hierbei nicht von Einkaufscenter-Bewerbungsfotos vor einer weißen Wand mit verschränkten Armen. Die hat die Konkurrenz auch und zeigt im Zweifel eine einheitliche Wand an Personen und nicht die Menschen dahinter. Ich empfehle sympathische und authentische Fotos im Dokumentarstil aus dem Arbeitsalltag. Dies führt beim Bewerber zur Erkenntnis: „Da arbeiten Menschen, genau wie ich.“
- Finde einen Satz, der in 140 Zeichen beschreibt, warum man bei dir arbeiten sollte, ohne dabei dich selbst zu verkaufen. Eine Kaufentscheidung fällt in wenigen Sekunden, also quasi genau nach dem Lesen dieses Satzes.
- Entwickle eine Webseite, die deine Mitarbeiter ihren Freunden schicken wollen.
- Arbeite an deinen Referenzen und präsentiere sie so emotional wie möglich. Zeige nicht nur Logos deiner Kunden, sondern implementiere Behind-The-Scenes-Material. Sorge dafür, dass die Zielgruppe deine Referenzen als ihre eigenen ansehen möchte. Im Prinzip präsentieren wir sinnbildlich gesehen ein Kunstwerk, unter das die Zielgruppe durch die Bewerbung den eigenen Namen drunter schreibt.
ATTRACT
Was bringt einem das sinnlichste Parfum, wenn niemand daran riecht? Was bringt einem ein perfektes Employer-Branding, wenn dieses niemand mitbekommt? Wir müssen also dafür sorgen, dass potentielle Mitarbeiter auf unsere Webseite geleitet werden. Das emotionalste Medium ist hierbei sicherlich ein Film, der über Social Media verbreitet und monetär beworben wird.
Bei diesem Film gelten die gleichen Regeln wie in der Convice-Phase:
- Nutze Leitmerkmale, anstatt dich selbst zu verkaufen.
- Evtl. gilt es ein Bild eines gewissen Lifestyles zu zeichnen, um am Ende sagen zu können: „Genau das ist uns bei XYZ wichtig.“
- Stülpe dem Film eine Botschaft über, damit auch die Presse darüber berichten kann.
- Erzähle eine Geschichte, verzichte auf Vollständigkeit und vor allem auf: „Rufen Sie uns jetzt an!“
Für die effizienteste Verbreitung empfehlen wir drei verschiedene Filme und das Targeting auf drei verschiedene Zielgruppen (grob / etwas genauer / sehr detailliert). Nach einem Monat werden Film und Zielgruppe neu zugeordnet, um nach drei Monaten über entsprechendes Tracking der Klickzahlen und der Conversion Rate genau zu wissen, welcher Film mit welcher Zielgruppe am besten funktioniert.
DELIVER
Wer die ersten beiden Phasen erfolgreich meistert, entwickelt eine Erwartungshaltung, der man nun gerecht werden muss. Besser noch: Übertreffe diese Erwartungshaltung. Dies gelingt am einfachsten durch unkonventionelle Ideen. Jede Initiativ-Weiterempfehlung ist eine Geschichte. Wir müssen die Inhalte für diese Geschichte liefern. Nehmen wir an unser Bewerber sitzt beim Bewerbungsgespräch auf einem Massagestuhl, bekommt einen Mojito angeboten, während er bei einer Runde FIFA an der Playstation mit dem Chef über die gemeinsame Zukunft spricht – Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er danach seinen besten Kumpel anruft und sagt: „Weißt du was mir gerade passiert ist?“
Fazit:
Recruiting ist die Herausforderung als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Es geht nicht darum Stellenanzeigen zu schalten nach dem Motto „Wir suchen einen XYZ.“ Das suchen alle anderen auch und du wirst auf Seite drei des Jobportals untergehen. Wer wirklich langfristig Bewerbungen erhalten möchte, muss sich selbst so positionieren, dass Stellenausschreibungen gar nicht mehr notwendig sind.