Damit wir alle über dasselbe sprechen.
Um eine Sache erfolgreich zu meistern, muss man erst einmal verstehen, welche Sache man überhaupt meistern möchte. In einer Zeit, in der das Auswendiglernen von zwei bis drei Anglizismen die Qualifikation zur Gründung einer Agentur darstellt, wissen nur noch die wenigsten wovon sie wirklich sprechen. Da jeder dieser „ExPeRtEn“ das eigene Halbwissen mittlerweile auch noch im eigenen Blog und auf Social Media teilt, andere sich auf genau dieser Basis bilden und daraufhin ebenfalls anfangen Inhalte in die Welt hinaus zu tragen, sind wichtige Definitionen und Zusammenhänge einstweilen total verwässert, völlig durcheinander und teilweise komplett falsch.
Müsstest du an dieser Stelle beispielsweise den Begriff „Marketing“ ohne zu googlen definieren, denkst du vermutlich an Social Media, an Anzeigen oder an deinen Messeauftritt. Dabei ist „Marketing“ definiert als: „eine Denkhaltung für die konsequente Ausrichtung des gesamten Unternehmens an den Bedürfnissen des Marktes sowie eine unternehmerische Aufgabe, zu deren wichtigsten Herausforderungen das Erkennen von Marktveränderungen und Bedürfnisverschiebungen gehört, um rechtzeitig Wettbewerbsvorteile aufzubauen.“1 Oder einfach gesagt: Marketing ist die Erkenntnis, dass es manchmal schlau ist, potentiellen Kunden das anzubieten, wofür sie Geld bezahlen.
Somit gehört dein Servicemitarbeiter per Definition genauso ins Marketingteam, wie dein Vertriebler oder deine Reinigungskraft. Da die Deutschen im Jahr 2008 erkannt haben, dass Stinken ziemlich uncool ist, ist sogar das Einführen eines Rauchverbots in Geschäften per Definition eine Marketingmaßnahme, weil sich hierbei ein Unternehmen an den Interessen des Marktes orientiert.
Da sich das Verständnis einiger Begriffe so stark in unsere Köpfe eingebrannt hat, macht es Sinn, diese bewusst zu umgehen. Denn sind wir mal ehrlich: Vermutlich denkst du beim Begriff „Marketing“ immer noch eher an dein Instagramprofil, als an das Verhindern eines piefigen Meetingraums. Damit wir in dieser Beitragsreihe „How to: Werbeagentur“ also nicht heiter aneinander vorbeireden, müssen wir zunächst eindeutig und verständlich definieren, wovon wir sprechen, wenn wir bestimmte Begriffe benutzen.
1 Gabler Wirtschaftslexikon: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/marketing-39435

Jedes Geschäftsmodell basiert auf dem Angebot eines Anbieters, welches der Zielgruppe verkauft werden soll.
Anbieter, Angebot und Zielgruppe bilden die DNA eines jeden Geschäftsmodells. Das Angebot kann ein digitales oder physisches Produkt sein, eine ganze Produktpalette, eine Dienstleistung oder das Unternehmen selbst. Ist dein Ziel zum Beispiel das Rekrutieren neuer Mitarbeiter, bist du als Arbeitgeber das Angebot und der Anbieter in einem. Hast du ein physisches Produkt, bist du lediglich der Anbieter und dein Produkt das Angebot.

Die Menschen Deiner Zielgruppe sind entweder nicht, problem-, lösungs-, produkt-, oder anbieterbewusst.
Einige Menschen sind sich nicht bewusst, dass sie ein Problem haben. Mit „Problem“ kann auch eine Herausforderung oder ein bestimmter Wunsch gemeint sein. Andere sind sich ihres Problems bewusst, verstehen es aber nicht genau oder kennen die Lösung noch nicht. Sie sind problembewusst. Kennen sie die Lösung, sind sie lösungsbewusst. Wissen sie sogar welches explizite Produkt sie zur Lösung des Problems benötigen, sind sie produktbewusst. Bevorzugen sie einen bestimmten Anbieter für die Lösung ihres Problems, sind sie anbieterbewusst.

Deine Positionierung ist das, was du über dich sagst. Deine Marke ist das, was die Menschen über dich sagen.
Behauptest du von deinem Angebot, dass es besonders nachhaltig und innovativ ist, die beste Qualität hat und du total kundenorientiert arbeitest, bedeutet das nicht, dass die Menschen dir glauben. Alles was du über dein Angebot behauptest, bildet deine Positionierung. Deine Marke ist dagegen das Bauchgefühl, welches die Menschen haben, wenn Sie an dein Angebot denken. Die Marke von Apple ist also nicht der Name Apple, oder der Apfel, sondern irgendein Gefühl zur Stilsicherheit, die einfache Bedienbarkeit, Steve Jobs, überhöhte Preise und dass man für jeden Scheiß einen Adapter kaufen muss.

Da die tatsächliche Marke ein Bauchgefühl ist, arbeiten wir immer mit einer ausformulierten, expliziten Marke.
Auf uns Menschen prasseln 11.000.000 bit pro Sekunde an Informationen ein. Wir können aber nur 50 bit pro Sekunde verarbeiten. Würden wir für jede Entscheidung alle uns zur Verfügung stehenden Informationen explizit verwenden, bräuchten wir circa ein Jahr, um im Restaurant ein Getränk auszuwählen. Stattdessen speichert unser Gehirn all diese Informationen vereinfacht gesagt in einem eigens dafür zuständigen Teil ab und liefert uns beim Abrufen dieser Informationen nicht alle Informationen einzeln, sondern stattdessen ein ganz bestimmtes Gefühl – das Bauchgefühl. Eine Marke ist genau solch ein Bauchgefühl. Da man Gefühle schwer mit Worten definieren kann, arbeiten wir im Gegensatz zu unserem Gehirn trotzdem mit einer Liste von ausformulierten Statements, der expliziten Marke.

Deine Zielmarke ist das, was die Menschen mit dir assoziieren sollen. Sie ist das Ziel der Markenentwicklung.
Die tatsächliche Zielmarke ist das Bauchgefühl, welches die Menschen der Zielgruppe in Bezug auf uns als Anbieter oder unser Angebot haben sollen. Sie wird im Zuge der Markenentwicklung definiert und dient dazu, alle Maßnahmen entsprechend so auszurichten, dass sie der definierten Zielmarke zuarbeiten. Da man – wie zu vor erklärt – schwer über ein Bauchgefühl sprechen kann, arbeiten wir mit der expliziten Zielmarke, also eine Liste von Statements aus der Sicht der Zielgruppe in Bezug auf uns oder unser Angebot, die es in den Köpfen der Menschen zu wecken und zu verankern gilt.

Alles was Du unternimmst, um deine Marke zu steuern, nennt man Markenentwicklung bzw. Branding.
Alles was wir nach außen tragen beeinflusst das Bauchgefühl, welches die Menschen uns gegenüber entwickeln – unsere Marke also. Sieht alles was mit uns in Verbindung steht unprofessionell und unseriös aus, bekommen die Menschen ein anderes Bauchgefühl, als wenn alles gut gemacht ist. Sind wir immer laut und provokant, haben wir eine andere Marke, als wenn wir sehr zurückhaltend kommunizieren. Alles was wir aktiv tun um unsere Marke kontrolliert zu steuern nennen wir Markenentwicklung bzw. kurz: Branding.

Alle grundlegenden Regeln & Maßnahmen, die deine Kommunikation vereinheitlichen, bilden deine Markenarchitektur.
Vermitteln heißt nicht aufschreiben. Wiederholen wir diesen Satz noch mal: Vermitteln heißt nicht aufschreiben. Angenommen ein Teil deiner expliziten Zielmarke lautet: „Die haben die beste Qualität“, reicht es nicht aus auf deine Webseite zu schreiben: „Wir haben die beste Qualität.“ Niemand wird dir glauben, dass du der beste bist, wenn du auf deiner Webseite über dich sagst, dass du der beste bist. Stattdessen müssen Kommunikationsregeln und -maßnahmen, Verhaltensmuster und psychologische Ansätze gefunden werden, um deine Positionierung glaubwürdig zu kommunizieren und diese in deine tatsächliche Marke umzuwandeln. Die Summe dieser Regeln, Maßnahmen und Ansätze ist deine Markenarchitektur.

Jeder einzelne Bestandteil der Markenarchitektur besteht aus mehreren unterschiedlichen Markenbausteinen.
Jeder einzelne Ansatz innerhalb der Markenarchitektur, der Inhalte der Zielmarke glaubwürdig an die Zielgruppe vermittelt, ist ein Markenbaustein. So lässt sich jedes Statement der expliziten Zielmarke einem oder mehreren Markenbausteinen zuordnen. Ziel der Markenarchitektur ist also eine Art Inventar an Kommunikationstechniken, Regeln und Maßnahmen zu kreieren, in dem jedem Statement ein Markenbaustein zugeordnet werden kann.

Das Kundenerlebnis beschreibt den gesamten Prozess der Interaktion mit dir aus Kundensicht von Anfang bis Ende.
Das Kundenerlebnis beschreibt den Prozess, den ein (potenzieller) Kunde durchläuft, während er mit einem Anbieter interagiert. Es umfasst alle Schritte, die ein Kunde unternimmt, vom ersten Moment, in dem er vom Anbieter oder vom Angebot erfährt über die erste Interaktion bis hin zum Kauf und zur Nachkaufphase. Das Kundenerlebnis beinhaltet zudem die Zeit, in welcher sich der Kunde alleine mit dir oder deinem Angebot auseinandersetzt. Drückst du ihm beispielsweise eine Broschüre in die Hand, ist diese Interaktion genauso Teil des Kundenerlebnisses, wie das Durchlesen zuhause auf der Couch und das Nachdenken über das Gelesene am nächsten Tag unter der Dusche.

Das Kundenerlebnis wird geprägt von vielen verschiedenen Berührungspunkten zwischen dem Anbieter und der Zielgruppe.
Berührungspunkte sind alle Momente, in denen die Zielgruppe mit dem Anbieter in direkten Kontakt tritt. Dies können physische Interaktionen sein, wie zum Beispiel das Betreten eines Geschäfts oder das Sprechen mit einem Kundendienstmitarbeitenden, aber auch digitale Interaktionen wie das Besuchen einer Website oder das Lesen von E-Mails. Auch der Social Media Account ist ein Berührungspunkt, genauso wie der Messestand oder die Rechnung nach dem Kauf.

Das gesamte Kundenerlebnis und jeder Berührungspunkt zur Zielgruppe ist Teil deiner Markenwelt.
Die Markenwelt ist das Konvolut aller Dinge und Maßnahmen, die die Menschen der Zielgruppe von einem Anbieter oder Angebot wahrnehmen können. Sie beinhaltet das, was ihnen im Falle einer Weiterempfehlung erzählt wird, die Social Media Anzeige, durch die sie vom Anbieter oder vom Angebot erfahren, alle Berührungspunkte, wie das lokale Geschäft, die Webseite oder die E-Mail sowie alle dort implementierten Dinge, wie das Design, die Inhalte und Botschaften. Selbst der Hintergrund beim Videocall ist Teil der Markenwelt.

Vielen Begriffen kann man “Prä-Aktions-“ oder “Post-Aktions-“ voranstellen und sie entsprechend zuordnen.
Es gibt ein Prä-Aktions-Kundenerlebnis und ein Post-Aktions-Kundenerlebnis. Es gibt Prä-Aktions-Berührungspunkte und Post-Aktions-Berührungspunkte. Eine Prä-Aktions-Markenwelt und eine Post-Aktions-Markenwelt. Wenn man möchte, gibt es sogar eine Prä-Aktions-Zielmarke und eine – Überraschung – Post-Aktions-Zielmarke. Die Grenze beider Wortpaare wird durch den Moment definiert, in dem die Zielgruppe die gewünschte Aktion ausführt – beispielsweise der Moment, in dem der potenzielle Kunde zum Kunden wird oder der potenzielle Mitarbeiter seine Bewerbung abschickt. Oftmals hat man andere Ziele vor dieser Grenze, als danach. Möchte man beispielsweise am Anfang, dass die Zielgruppe zu Kunden wird, kann das Ziel danach sein, dass sie zufrieden und leicht zu managen sind und eine Weiterempfehlung geben.
Weitere Definitionen und Zusammenhänge folgen später.
Alle hier erklärten Begriffe und Zusammenhänge sind wichtig, wenn man die Markenentwicklung verstehen möchte. Selbstverständlich gibt es noch mehr davon, allerdings beziehen sich diese Inhalte auf beispielsweise die Vermarktung, also den letzten Schritt der Markenentwicklung. Da wir erst später über die Vermarktung sprechen, folgen also auch die jeweiligen Erklärungen wenn es so weit ist.